Ist Ihre Website barrierefrei? Nein? Dann sollten Sie diesen Artikel lesen, denn darin erklären wir zum einen, was „Barrierefreiheit“ im digitalen Kontext überhaupt bedeutet, und zum anderen, was Sie als Website-Betreiber jetzt tun müssen.
Ab 2025 sind zahlreiche Websites und Onlineshops in Deutschland dazu verpflichtet, ihr Angebot im Internet „barrierefrei“ zur Verfügung zu stellen. Was das genau bedeutet und wer wie vom neuen Gesetz betroffen ist, bröseln wir im Folgenden auf.
Disclaimer: Die Informationen in diesem Beitrag haben wir mit größter Sorgfalt recherchiert. Dennoch übernehmen wir keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen. Diese sind insbesondere allgemeiner Art und stellen keine Rechtsberatung dar. Zur Lösung von konkreten Rechtsfällen konsultieren Sie bitte unbedingt einen Rechtsanwalt.
Inhalt
Was ist digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit ist der Versuch, niemanden davon auszuschließen, die eigenen Angebote im Internet zu nutzen.
Eine gute Definition liefert beispielsweise auch das Behindertengleichstellungsgesetz:
„Barrierefrei […] sind Systeme […], wenn sie für behinderte Menschen in der allgemeinen üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“
Allein in Deutschland ist ca. jede vierte Person auf ein barrierefreies Netz angewiesen. Letztlich geht’s um nicht weniger als Chancengleichheit. Diese im digitalen Raum zu erreichen, funktioniert grundsätzlich über das sogenannte „Mehr-Sinne-Prinzip“:
- Wahrnehmbarkeit (auch für blinde Menschen)
- Bedienbarkeit (nicht nur Maus, sondern z. B. auch Sprachsteuerung)
- Verständlichkeit (klare Sprache)
- Robustheit (z. B. bei Veränderungen von Technologien)
Beispiel: Hat ein Bild einen Alternativtext, kann man sich von Screenreadern vorlesen lassen, was zu sehen ist. Das Gleiche gilt für Untertitel in Videos.
Aber die Sachlage ist deutlich komplexer, es gibt schließlich ganz unterschiedliche Einschränkungen, die Menschen haben können. Solche mit einer Sehschwäche haben z. B. Probleme, wenn Texte zu wenig Kontrast aufweisen. Solche mit Konzentrationsschwierigkeiten sind von zu vielen Animationen oder verschachtelten Satzkonstruktionen gestresst etc.
All diese Faktoren – Content-Management-System, Website-Konzeption, Navigationsstruktur, Design, Programmierung etc. – perfekt aufeinander abzustimmen, kostet Zeit und Geld.
Warum sollte ich mich mit der Barrierefreiheit meiner Website beschäftigen?
Aus verschiedenen Gründen, an erster Stelle sicher aus moralischen. Dass möglichst niemand davon ausgeschlossen wird, Ihr Onlineangebot zu nutzen, ist daneben wohl auch Ihrem Umsatz zuträglich.
Andersherum: Lassen Sie das Thema Barrierefreiheit weiterhin außen vor, werden sie mittel- bis langfristig Umsatz verlieren (weil die Konkurrenz aktiv wird und/oder Google & Co. barrierefreie Websites bevorzugt behandeln).
Und Sie bekommen eventuell rechtlichen Ärger, denn ab 2025 tritt der sogenannte „European Accessibility Act (EAA)“ in Kraft – und dieser verpflichtet zahlreiche private Websites und Onlineshops per Gesetz zur Einhaltung digitaler Barrierefreiheit.
Was ist der „European Accessibility Act“ und wie betrifft er mich?
Hinter dem EAA verbirgt sich die EU-Richtlinie 2019/882, die bereits 2019 in Brüssel verabschiedet und 2021 durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Deutschland umgesetzt wurde.
Dieses richtet sich konkret an alle privaten Produkthersteller, Händler und Dienstleister, die mehr als zehn Angestellte haben und über zwei Millionen Euro im Jahr verdienen.
Kleinunternehmen sind demnach ausgenommen, wie zum Beispiel auf der Website „Bundesfachstelle Barrierefreiheit“ der Knappschaft Bahn See zu lesen ist.
Gültigkeit hat das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für alle Produkte und Dienstleistungen, die ab dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden.
Bislang ist die digitale Barrierefreiheit lediglich für öffentliche Stellen im europäischen Raum Pflicht. Bereits 2018 wurde die Vorgänger-Richtlinie 2016/2102 verabschiedet und in Deutschland durch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) umgesetzt.
Davon betroffen sind z. B. Hochschulen, Sozialversicherungen, gesetzliche Krankenkassen, Landschaftsverbände, der öffentliche Nahverkehr etc. Als Faustregel gilt: Wird eine Website zu mehr als 50 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert, ist sie vermutlich bereits jetzt zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Was muss ich tun?
Der „European Accessibility Act“ verlangt ganz konkret u. a. die Erfüllung folgender Kriterien:
- gut lesbarer Text mit ausreichend Kontrast
- Alt-Texte für Bilder bzw. Bildbeschreibungen
- Bedienbarkeit ohne visuelle Elemente
- Steuerung per Tastatur und ohne Maus
Das war’s in aller Kürze. In aller Länge finden sich im Netz diverse Kriterienkataloge, die zur Orientierung genutzt werden können: etwa die bereits erwähnte BITV oder die „Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)“ des World Wide Web Consortium (W3C).
Es gibt leider keine restlos ausdefinierte Liste, die nur durchgegangen und abgehakt werden muss. Das Thema fordert mehr Aufmerksamkeit und setzt eine intensive sowie ernst gemeinte Auseinandersetzung damit voraus.
Nichtsdestotrotz haben wir ein erstes Maßnahmenpaket zusammengestellt, um Ihnen auf dem Weg zur Barrierefreiheit etwas Konkretes an die Hand zu geben:
Die 7 nötigen Website-Anpassungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Beschreiben Sie Ihre Seiten und Bilder
Achten Sie darauf, dass die Titel Ihrer Seiten wirklich wiedergeben, was inhaltlich zu finden ist. Dieser Titel wird von Screenreadern als Erstes vorgelesen, wenn jemand mit Sehschwäche Ihre Website besucht. Bewährt hat sich eine Kombination aus individueller Bezeichnung (Beispiel: „Über uns“) und Firmenname (Beispiel: „Elbnetz – WordPress-Agentur“).
Das Gleiche gilt für Ihre Bilder. Füllen Sie für diese in WordPress immer das Feld „Alternativtext“ bzw. „Alt-Text“ aus – und zwar mit einer tatsächlichen Beschreibung davon, was zu sehen ist („Beispiel: „Mann sitzt konzentriert vor Laptop“).
Gliedern Sie Ihre Inhalte
Strukturieren Sie Ihre Website-Texte mithilfe von HTML-Überschriften (H1 – H6), damit Nutzer sich per Tastatursteuerung daran orientieren können. Verwenden Sie dagegen kein HTML-Tag, wenn ein bestimmter Inhalt nur hervorgehoben werden soll, aber eigentlich keine Überschrift darstellt.
Checken Sie den Kontrast auf Ihrer Website
Reicht es oder reicht es nicht, das ist hier die Frage?! Hilfe bei der Beantwortung liefert beispielsweise der kostenlose „Colour Contrast Analyser“. Das Kontrastverhältnis sollte bei über 4,5:1 liegen, um die Anforderungen der Barrierefreiheit zu erfüllen.
Testen Sie die Tastatursteuerung
Um zu überprüfen, ob Ihre Website per Tastatur bedient werden kann, tun Sie am besten Folgendes: URL aufrufen und Maus weglegen. Tabulatortaste (TAB) zur Navigation zwischen den interaktiven Elementen (Links, Buttons, Checkboxen etc.) nutzen und dabei die Logik der Reihenfolge gegenchecken.
Passt? Auch der Tastaturfokus (grafische Hervorhebung) ist deutlich zu sehen, sodass stets klar ist, wo Sie sich auf der Website befinden? Die Elemente lassen sich durch Drücken der Enter- bzw. Leertaste aktivieren? Wunderbar!
Zeichnen Sie Ihre Formulare richtig aus
Sie haben ein Kontaktformular auf Ihrer Website? Dann sorgen Sie dafür, dass die Formularfelder sichtbare Beschriftungen haben. Diese können durch die Verknüpfung zum Formular sowohl für die Tastatursteuerung als auch für Screenreader genutzt werden.
Das entsprechende Feld finden Sie in den Einstellungen des Plug-ins Ihres Kontaktformulars. Prüfen können Sie die Funktion, indem Sie die Beschriftung anklicken – Ihr Cursor sollte dann ins Eingabegeld springen.
Beschränken Sie Ihre bewegten Inhalte
Ihre Website ist voller Animationen oder Slider-Galerien, die sich durchgehend bewegen? Nicht gut: Verzichten Sie entweder ganz auf bewegte Inhalte oder bauen Sie wenigstens die Möglichkeit ein, diese nach maximal fünf Sekunden zu stoppen (auch per Tastatur)!
Lassen Sie sich nicht von Vergrößerungen lumpen
Browser erlauben es, die Ansicht einer Website zu vergrößern. Wenn dabei dann aber Texte abgeschnitten werden oder Überlappungen zwischen Elementen entstehen, ist es schnell aus mit der Freude beim Nutzer.
Also: Achten Sie darauf, dass Ihre Website auch im vergrößerten Zustand gut nutzbar ist. Testen können Sie dies, indem Sie Ihren Browser einfach mal auf 200 Prozent stellen.
Wie kann ich die Barrierefreiheit meiner Website testen?
Um den grundsätzlichen Status quo für Ihre Website zu ermitteln, können Sie z. B. das „Web Accessibility Evaluation Tool (WAVE)“ nutzen. Dieses prüft nach dem internationalen W3C-Standard („Web Content Accessibility Guidelines“).
Daneben bietet das Projekt „BIK für alle“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Reihe von „Easy Checks“, um die bestehende Barrierefreiheit zu testen.
Wer sich nicht allein auf das Terrain der digitalen Barrierefreiheit begeben will, kann sich professionelle Hilfe holen – mittlerweile gibt es einige Experten mit entsprechender Erfahrung bei der Begleitung von Website-Projekten.
Fazit
2025 ist nicht mehr allzu weit weg und in Anbetracht der Komplexität des Themas können wir nur ausdrücklich empfehlen, sich mit der Barrierefreiheit Ihrer Website auseinanderzusetzen. Holen Sie sich dafür kompetente Hilfe, wenn Sie das Gefühl haben, diese zu brauchen – und fokussieren Sie die Vorteile, die digitale Barrierefreiheit für Sie und Ihre Nutzer bringt:
- größere Reichweite
- besseres Ranking in Suchmaschinen
- durchdachte Usability mit intuitiver Steuerung
- moralisches Handeln
- keine rechtlichen Probleme
Die Einhaltung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes wird im Übrigen von den Bundesländern mithilfe der Unterstützung von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sichergestellt.
PS: Die neuen Regeln treten zwar 2025 in Kraft, danach gibt’s jedoch noch eine fünfjährige Übergangsfrist für Dienstleistungen.
Viel Erfolg dabei!
5 Kommentare. Wir freuen uns über Ihren Kommentar
Es ist gut und richtig »z. B.« mit Leerschritt zu schreiben. Um eine Trennung am Zeilenende zu vermeiden, sollte statt einem einfachen Leerschritt aber ein verwendet werden. ;-)
Ich glaube, dieser Absatz braucht etwas mehr Erläuterung:
»Auch der Tastaturfokus (grafische Hervorhebung) ist deutlich zu sehen, sodass stets klar ist, wo Sie sich auf der Website befinden? Die Elemente lassen sich durch Drücken der Enter- bzw. Leertaste aktivieren? Wunderbar!«
Ich verstehe ihn jedenfalls nicht.
Moin Frank,
mit der grafischen Hervorhebung ist gemeint, dass sich ein Link oder Button vergleichbar ändert, als wenn Sie mit der Maus auf das Element zeigen.
Ahoi!
Thorsten
»Sie bekommen eventuell rechtlichen Ärger, denn ab 2025 tritt der sogenannte „European Accessibility Act (EAA)“ in Kraft – und dieser verpflichtet zahlreiche private Websites und Onlineshops per Gesetz zur Einhaltung digitaler Barrierefreiheit.«
Ich wage zu bezweifeln, dass das auch für private Websites gelten wird. Bei kommerziellen (nicht nur Onlineshops) sollte es verpflichtend sein.
Yep, diese Regel gilt nicht für Privatpersonen und nicht einmal für Kleinunternehmen (siehe oben).
Ahoi!
Thorsten